Ein Spruch besagt: Vergleich macht reich! Wir vergleichen nachfoglend zwei Klaviere. Dabei werden wir zwar nicht reich, aber wir gewinnen interessante Einsichten. Es handelt sich um einen Vergleich zweier Klaviere der Marken Yamaha und Zimmermann. Doch es sollen nicht die Marken verglichen werden, sondern der Klang der beiden Klaviere.
Der Vergleich scheint von Anfang an zu hinken. Schließlich werden zwei Klaviere unterschiedlicher Höhe und unterschiedlichen Alters verglichen. Das Zimmermann-Klavier ist 130 cm hoch und wurde circa Anfang 1900 gebaut.
Das Yamaha-Kleinklavier ist dagegen nur etwas über 1 m hoch und es wurde 1962 hergestellt.
Im Endergebnis geht es aber genau um diesen Vergleich, nämlich eines alten Pianos mit einem neuen Klavier. Massenweise hat man den Klavierspielern Kleinklaviere mit dem Argument verkauft, dass die großen Kästen heute nicht mehr zum zeitgemäßen Ambiente der Wohnungen passen würden. Das Kleinklavier bekam den Zusatz modern. Das konnte man in Deutschland verkaufen, als die Gesellschaft 1960 geprägt war von Erfahrungen, die eindeutig schlecht waren: Der Zweite Weltkrieg und insbesondere der Ungeist der Nationalsozialisten. Man war daher bereit, sich durch moderne Einrichtungsgegenstände von der Erinnerung an diese Zeit zu verabschieden. In diesem geschichtlich-psychologischen Szenario verpackt ist die Kernfrage: War das Neue eigentlich besser als das Alte? Das ist eine Tabu-Frage, die man nicht aussprechen darf, da man damit das gnadenlose Wachstumsprinzip der Industriegesellschaft hinterfragen würde, das ja eine der wesentlichen Existenzgrundlagen unseres außergewöhnlichen hohen Lebensstandards zu sein scheint.
Das war einmal. Diese Bedenken bestehen nicht mehr. Der Schaden des grenzenlosen Wachstums ist längst offensichtlich. Denn inzwischen versinkt die Welt im Müll einer auf Verbrauch ausgerichteten Wirtschaft. Zahlreiche Menschen sind in der Einsicht längst den Führern aus Wirtschaft und Politik voraus. Und da die Welt sich inzwischen hinsichtlich der Neuerungen schier zu überschlagen beginnt, stellen wir nicht nur die Frage, sondern kennen bereits die Antwort, dass nämlich das Neue nicht in jedem Fall besser sein muss als das Alte.
Die beiden Klaviere unserer Hörbeispiele befinden sich in einem Haus, jedoch in getrennten Stockwerken. Sie werden beide von einer Person gespielt. Die Besitzerin der beiden Instrumente respektiert beide Klaviere. Interessanterweise fühlt sie sich aber bei dem älteren Piano wohler. Das Kriterium ist der Klang. Und die Basis des Urteils ist die Intuition.
Die Intuition beruht ja interessanterweise auf dem so genannten Bauchgefühl. Das kommt immer dann ins Spiel, wenn die Fakten für eine ratonale Analyse zu komplex sind oder wir aus beliebigen Gründen keine Gelegenheit haben, Dinge tatsächlich objektiv miteinander zu vergleichen. Wie erwähnt liegt zwischen den beiden Pianos ein Stockwerk. Daher kann man den Klang der beiden Klaviere nicht direkt nebeneinander stehend und somit zeitnah vergleichen. Also ist das Bauchgefühl gefragt. Dass Klavierbesitzer aufgrund ihres Bauchgefühls intuitiv die Qualität ihres Pianos erfassen, erfahre ich relativ häufig. Und sie liegen alle richtig.
Im Fall unserer beiden Pianos betreute vor mir ein Kollege die Klaviere. Er stimmte die Instrumente nach Norm, das heißt, er stimmte beide Klaviere unabhängig von ihrem Alter auf 440 Hertz. Doch die Besitzerin war vor allem bei dem älteren Klavier mit dem Ergebnis nicht glücklich und suchte nach einer Alternative. Eine mögliche Alternative ist der Wechsel des Stimmers. So kam ich vor einigen Jahren ins Spiel. Bei meinem ersten Stimmtermin überprüfte ich beim älteren Zimmermann-Piano wie üblich die Stimmung, schätzte das Datum und informierte die Kundin, dass ich das Klavier, das in der Tonhöhe etwas gesunken war, auf der tieferen Tonhöhe lassen würde. Dazu erläuterte ich, dass der tiefere Kammerton genau genommen im Sinn der Funktion des Klavierspiels ist, das in der Regel dazu dient, dass man sich über den Klavierklang, die Musik, den Rhythmus selbst harmonisiert. Die Klavierspielerin fand das Argument der Selbstharmonisierung nachvollziehbar sowie ansprechend und sie stimmte daher zu. Bei unserem nächsten Stimmtermin bestätigte sie meine Aussagen und wir liesen das ältere Klavier wieder tiefer, nämlich auf 430 Hertz.
Zimmermann verstimmt 430 Hertz Zimmermann gestimmt 430 HertzAls wir uns wieder zum Stimmen trafen, tauschten wir uns erneut über die Eindrücke der Stimmung aus. Dabei sprach die Klavierspielerin gerne von einem durch die Tonhöhe angenehmeren Klang. Das wollte ich so nicht bestätigen. Vielmehr erläuterte ich, dass der Klangunterschied zwischen einem hohen und niedrigen Klangkörper sowie einem Klavier noch mit manuell gewalkten Filzen und einem modernen Kleinklavier mit maschinell gepressten Hammerfilzen eher von der Größe des Klangkörpers, damit verbunden von der Länge der Saiten sowie eben von der produktionsbedingten Qualität der Hammerfilze abhängt. Im Vergleich zu 440 Hertz oder einem noch höheren Kammerton bewirkt jedoch die tiefere Tonhöhe einen höheren Grad der Entspannung, der sich durch das Klavierspiel einstellen kann. Musik hat ja eine Wirkung auf uns. Um diese Wirkung geht es. In dem Zusammenhang ist es wichtig, wenn man bewusst mit den Faktoren umgehen kann, die auf uns eine bestimmte Wirkung haben.
Trotzdem bat mich die Klavierbesitzerin, diesmal das Kleinklavier von Yamaha auch tiefer zu stimmen, damit auch dieses Piano schöner klingen kann. Wir einigten uns, das Kleinklavier von der aktuellen Tonhöhe von 438 Hertz auf 434 Hertz tiefer zu stimmen.
Yamaha verstimmt 438 Hertz Yamaha gestimmt 434 HertzNach diesem Stimmtermin kam ich auf die Idee, diese Geschichte verbunden mit Hörbeispielen zu erzählen, da ich mich relativ häufig mit Kunden über die Besonderheit des Klavierklangs sowie die Tonhöhe austausche. Dabei kam mir der Gedanke, dass ich ja nun etwas ermöglichen kann, was ich anfangs als Handicap beschrieben habe. Sie erinnern sich, dass unsere beiden Klaviere in zwei Stockwerken standen und daher ein direkter Vergleich nicht möglich ist. Anhand der Hörbeispiele können wir nun aber die Aufnahme des einen Klaviers
mit der Aufnahme des anderen Klaviers direkt miteinander vergleichen. So erhalten Sie die Möglichkeit zu einem objektiven Vergleich nicht nur zwischen Vorher und Nachher, sondern auch zwischen dem Klang zweier Klaviere.
Bei dem nun ermöglichten direkten Vergleich geht es um den früher üblichen Romantischen Klang versus den angeblich modernen Brillanten Klang. Welches Klavier klingt besser? Vermutlich kommen auch Sie zu dem Schluss, dass es das größere, ältere Zimmermann-Piano ist, das einen volleren, reichhaltigeren Klang und somit mehr Tiefgang besitzt. Der Romantische Pianoklang ist das Erfolgsgeheimnis des Klavierbaus seit es 1826 erstmals Henri Pape gelang, Filzplatten über den Holzkernen der Klavierhämmer zu befestigen. Das war der Schlüssel für den so genannten Grundtönigen Klang, den wir heute als Romantischen Pianoklang bezeichnen. Er scheint in unserem Unterbewusstsein für Wohlklang festgeschrieben zu sein. Im Gegensatz dazu ist der Brillante Klavierklang genau genommen eine Art Verkehrsunfall, der als Folge des Qualitätsabbaus (kleinerer Klangkörper, kürzere Saiten, schlechtere Qualität der Hammerfilze, häufig getränkte Hammerfilze) zu Gunsten einer kurzfristigen Gewinnoptimierung entstanden ist. Da vor allem Steinway damit durch die angeblich schnell verschleißenden Hammerköpfe (nach Aussagen eines Steinway-Mitarbeiters) angeblich mehr Geld verdient als (der Lieblingskonkurrent) Bechstein mit dem Verkauf aller Flügel und Klaviere, versucht man, den Brillanten Klang als neue Klangnorm zu etablieren. Doch intuitiv stimmen die Klavierspieler darin überein, dass die alten Pianos mit dem weicheren Ton angenehmer klingen.
Unsere Ohrmuskeln wirken wie Filter. Unterhalten wir uns, so stellen sich die Ohrmuskeln so ein, dass bevorzugt die Frequenzen gehört werden, in denen unsere sprachliche Kommunikation stattfindet. Spielen wir aber Klavier, so stellen sich die Ohrmuskeln auf diesen Klang ein. Bei einem guten Pianoklang signalisiert diese muskuläre Ausrichtung an den Vagusnerv, dass er Enstpannung auslöst. Der Vagusnerv ist ein Hirnnerv, der für unseren Herzschlag und den Atemrhythmus zuständig ist. Folglich werden Herzschlag und Atmung so angepasst, dass wir uns besser entspannen können. Das ist eine Nebenleistung des Wohlklangs. Kombiniert man den guten Pianoklang mit einem niedrigeren Kammerton, optimiert das unsere Entspannung. Sie fragen nun vermutlich: Was geschieht bei einem schlechteren Klavierklang? Die Ohren schützen sich und verschließen sich reflexartig dem grellen Klang. Gleichzeitig spannt unser Bauch an. Entspannung wird so unmöglich. Daher haben musiksensible Menschen bei diesem Klangmuster häufig keine Lust aufs Klavierspiel. So zerstört man langfristig den eigenen Markt. Das ist eine der für mich unbegreiflichen Besonderheiten des Klaviermarketings. Richtig wäre ein Marketing, das es ermöglicht, den akustischen Vollwertklang mit zeitgemäßen Sounds sowie lange ersehnten Effekten anzureichern. Doch für diese Art eines kundenfreundlichen da musikorientierten Marketings scheinen die bisherigen großen Namen des Klavierbaus den Anschluss verpasst zu haben, wie die von mir zur Verfügung gestellte Selbst-Umbau-Anleitung vom Akustikpiano zum Hybridklavier zeigt. Meine abschließende Feststellung über den Ist-Stand der Klavierhersteller schließt interessanterweise sogar den scheinbar einzig innovativen Klavierbauer Yamaha ein!